Ausgleichsanspruch gegen den Hausratversicherer bei Austausch von Fliesen nach Leitungswasserschaden am darunterliegenden UnterbodenLeitsätze 1. Fliesen sind zwar kein Hausrat i.S.d. § 6 VHB, können aber gleichwohl als „Bodenbeläge“ i.S.d. § 8 Nr. 1 h) VHB zu qualifizieren sein. 2. Ein Versicherungsfall „Leitungswasserschaden“ liegt nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auch dann vor, wenn der Bodenbelag (hier: Fliesen) nur wegen notwendiger Reparaturarbeiten am Unterboden (Estrich) - als gewöhnlicher Durchfeuchtungs-Folgeschaden - zwangsläufig entfernt werden muss. Orientierungssätze zur Anmerkung 1. Fliesen sind kein Hausrat i.S.d. § 6 VHB, können aber als „Bodenbeläge“ i.S.d. § 8 Nr. 1 h) VHB zu qualifizieren sein. 2. Reparaturkosten für Fliesen sind auch vom Versicherungsfall „Leitungswasserschaden“ gedeckt, wenn diese wegen notwendiger Reparaturen am Unterboden entfernt werden müssen, ohne dass die Fliesen selbst vom Leitungswasser beschädigt sind. 3. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird keine Einschränkung annehmen, als dass nur solche Bodenbeläge umfasst sein sollen, die durch das austretende Wasser unmittelbar durchnässt werden könnten. - A.
Problemstellung Die Parteien streiten darüber, ob die Gebäudeversicherin (Klägerin) gegen den Hausratversicherer (Beklagter) einen Ausgleichsanspruch für die Kosten der Erneuerung eines Fliesenbodens nach einem Leitungswasserschaden im Rahmen einer Mehrfachversicherung hat. Das Landgericht bejahte dies, weil Fliesen als „Bodenbeläge“ über die Kostenregelung des § 8 Nr. 1 h) VHB vom Versicherungsschutz erfasst seien. Das OLG folgt der Auffassung des Landgerichts. Die Klausel umfasse auch solche Reparaturkosten, die infolge notwendiger Arbeiten nach einem Leitungswasserschaden anfallen, selbst wenn der Belag nicht unmittelbar durchnässt wurde, sondern der darunterliegende Estrich. Daher besteht eine Mehrfachversicherung, so dass der Beklagte der Klägerin den hälftigen Ausgleich nach § 78 Abs. 2 VVG schulde.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Klägerin als ein Gebäudeversicherer macht gegen den Beklagten als Hausratversicherer nach einem Leitungswasserschaden einen Ausgleichsanspruch aus § 78 Abs. 2 VVG geltend. Das Landgericht gab der Klage statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung der hälftigen Kosten für die Ersetzung des Fliesenbelags in der Wohnung seines Versicherungsnehmers i.H.v. 5.202,13 Euro. Das OLG bestätigt diese Auffassung. Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass für die Fliesen eine Mehrfachversicherung bestehe und dem Beklagten nach § 78 Abs. 2 VVG ein hälftiger Ausgleich zustehe. Die Reparaturkosten für die Fliesen seien über die Kostenregelung des § 8 Nr. 1 h) VHB als „Bodenbeläge“ gedeckt. Nach den Auslegungsgrundsätzen für AVB sei maßgeblich, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Vertragsklauseln bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen könnte. Dabei komme es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. In erster Linie sei vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sei zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar seien (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 31.03.2021 - IV ZR 221/19 Rn. 26 oder BGH, Urt. v. 06.07.2016 - IV ZR 44/15 Rn. 17, jeweils m.w.N.). Nach Auffassung des OLG werde der Versicherungsnehmer zu dem Ergebnis gelangen, dass sämtliche „Bodenbeläge“ vom Versicherungsschutz des Vertrages umfasst seien, also auch Fliesen. Zunächst spreche hierfür der Wortlaut des § 8 Nr. 1 h) VHB. Dort sei von „Reparaturkosten für Leitungswasserschäden an Bodenbelägen“ die Rede. Fliesen seien nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Bodenbelag. Anders als die darunterliegenden Schichten (Estrich und Dämmung) sei die oben aufliegende Schicht auch im juristischen Kontext regelmäßig als Bodenbelag zu verstehen (vgl. Rüffer in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 40 Rn. 33 m.w.N.; Klimke in: Prölss/Martin, VVG, 32. Aufl., VHB 2016, VSMod § A8 Rn. 20). Eine Einschränkung dahin, dass nur solche Bodenbeläge umfasst sein sollten, die durch das austretende Wasser unmittelbar durchnässt werden könnten (z.B. Parkett, Laminat, Teppichboden) oder die lediglich lose mit dem Untergrund verbunden seien, finde sich in § 8 Nr. 1 h) VHB nicht. Ausgehend vom Wortlaut bestehe für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer daher kein Grund, eine entsprechende Einschränkung anzunehmen. Vielmehr müsse das Wasser lediglich adäquate Ursache des Nässeschadens sein, so dass auch Durchnässungs-Folgeschäden umfasst seien (Martin/Reusch/Schimikowski/Wandt, Sachversicherung, 4. Aufl., § 5 Rn. 13 f.). Es reiche daher aus, wenn aufgrund eines Leitungswasserschadens Reparaturkosten an einem Bodenbelag anfielen. Für eine solche „weite“ Auslegung spreche auch die Systematik der VHB. Zwar seien Fliesen als fest mit dem Gebäude verbundene Bestandteile kein „Hausrat“ i.S.d. § 6 VHB. Die Kostenregelung in § 8 VHB verdeutliche aber, dass der Versicherer auch für bestimmte, über den engeren Hausratsbegriff hinausgehende Schadenspositionen einzustehen habe. Dass unter § 8 VHB neben Hotelkosten und Transportkosten ausdrücklich auch „Reparaturkosten für Gebäudeschäden“ (§ 8 Nr. 1 g) VHB) und „Bodenbeläge“ aufgeführt seien, zeige, dass der Versicherer eine Deckungslücke für typische Schadensfolgen, etwa von Leitungswasser, vermeiden wolle. § 8 Nr. 1 VHB zähle demnach versicherte Kosten auf, die neben der Hauptschadenentschädigung zu zahlen seien (so auch Klimke in: Prölss/Martin, VVG, VHB 2016, VSMod § A8 Rn. 1). Wenn man die Versicherungsbedingungen eng auslegen und tatsächlich nur jene in § 6 VHB genannten Sachen als versichert ansehen wolle, liefe die Regelung des § 8 VHB dagegen leer. Schließlich spreche auch der Sinn und Zweck der Klausel für die Einstandspflicht. Insbesondere Mieter sollten im Schadensfall nicht von der Gebäudeversicherung abhängig sein, sondern selbst die Wiederherstellung ihrer Wohnung organisieren können. Dazu gehöre regelmäßig die Wiederherstellung des Bodenbelags, unabhängig davon, ob dieser von ihnen oder vom Vermieter eingebracht worden sei. Daher sei in der Klausel des § 8 Nr. 1 h) VHB eine den Versicherungsnehmer begünstigende Erweiterung der Entschädigung zu sehen (OLG Schleswig, Senat, Beschl. v. 07.11.2024 - 16 U 95/24 Rn. 12; vgl. auch Klimke in: Prölss/Martin, VVG, VHB 2016, VSMod § A8 Rn. 20; Spielmann in: Martin/Reusch/Schimikowski/Wandt, Sachversicherung, § 5 Rn. 45, 48). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwarte, dass im Zuge eines Leitungswasserschadens notwendige Arbeiten am Bodenbelag insgesamt ersetzt würden – gleichgültig, ob der Belag selbst durchfeuchtet gewesen sei oder ob er im Zuge der Schadensbeseitigung als gewöhnlicher Durchfeuchtungs-Folgeschaden zwangsläufig zerstört worden sei. Die Regelung in § 8 Nr. 1 h) VHB solle den Versicherungsnehmer in die Lage versetzen, die Wohnung nach einem Leitungswasserschaden vollständig wiederherzustellen, ohne auf die Gebäudeversicherung angewiesen sein zu müssen.
- C.
Kontext der Entscheidung I. Das OLG Schleswig wies nach diesem Hinweisbeschluss sodann mit weiterem Beschluss vom 05.11.2025 (16 U 98/24) die Berufung zurück. Weil der Streitwert unter 20.000 Euro lag (ab dem 01.01.2026 liegt die Grenze bei 25.000,00 Euro) und daher eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft war (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und das OLG Schleswig die Revision nicht zuließ (§ 543 ZPO), ist das Verfahren rechtskräftig beendet worden, was bedauerlich ist, da zu dieser Konstellation, soweit ersichtlich, keine Rechtsprechung existiert. II. Auf erste Sicht scheint die Begründung überzeugend zu sein, beim zweiten Blick bestehen Bedenken: 1. Bedauerlicherweise wird die Klausel in dem Beschluss nicht wiedergegeben, sondern nur auszugsweise zitiert. Einmal unterstellt, dass diese den aktuellen Musterbedingungen zur Hausratversicherung auf Basis der VHB 2022 entsprechen, was sich leider aus der Begründung gleichfalls nicht ergibt, dort wird nicht einmal das Datum eines Versicherungsfalles mitgeteilt, lautet die entsprechende Regelung in A 13.2.8 VHB 2022 unter der Überschrift „Reparaturkosten für Leitungswasserschäden in Wohnungen“ wie folgt: „Das sind Kosten, die entstehen, weil Leitungswasserschäden an Bodenbelägen, Innenanstrichen oder Tapeten repariert werden müssen. Dies setzt voraus, dass der Schaden in einer gemieteten oder im Sondereigentum befindlichen Wohnung entstanden ist.“ Da es sich offenkundig nicht um versicherte Sachen in der Hausratversicherung handelt (nur der entfernbare Bodenbelag auf bewohnbaren Untergrund, so eine grobe Faustregel, gehört zum Hausrat, vgl. KG, Urt. v. 08.12.1998 - 6 U 6983/97 - VersR 1999, 617, zu Teppichboden; hierzu auch Günther, Sachversicherung I, iBook, 2. Aufl. 2023), ergibt sich mithin kein Anspruch aus dieser Sachversicherung. Ein Anspruch kann sich nur aus der Kostenversicherung ergeben. Dies ist durchaus von Bedeutung, da rechtsdogmatisch eine Kostenversicherung etwas anderes ist als eine Sachversicherung. Bei einer Kostenversicherung werden enumerativ sonst nicht versicherte Vermögensschäden gedeckt, wie eben hier für die versicherte Gefahr Leitungswasser für Gebäudebestandteile in Form von „Bodenbelägen“ (eine ähnliche Regelung existiert in der Hausratversicherung z.B. für Schäden an Gebäuden durch das Einbrechen der Täter). 2. Im Rahmen der Auslegung von Klauseln als auch deren AGB-rechtliche Überprüfung kann es durchaus Auswirkungen haben, ob es sich um Deckungserweiterungen in der Sach- oder Kostenversicherung handelt oder es um den „Kernbereich“ des Deckungsversprechens des Versicherers geht, wo strengere Maßstäbe gelten (vgl. z.B. zur Deckungserweiterung in Form der erweiterten Schlüsselklausel BGH, Urt. v. 05.07.2023 - IV ZR 118/22 - VersR 2023, 1165). Schon vor diesem Hintergrund ist die (Billigkeits-)Erwägung des OLG Schleswig zumindest diskutabel, wo ausgeführt wird, was der Versicherungsnehmer erwarte. Dies ist insoweit bedenklich, da der Versicherungsnehmer in der Hausratversicherung die Deckung für Hausratsachen in Form von Sachschäden oder Entwendung von Hausratgegenständen erwartet, aber eher nicht unbedingt für Gebäudeschäden, zumal in der Regel hierfür ohnehin sein Vermieter eintrittspflichtig ist, der ihm ja einen mängelfreien Gebrauch der Mietsache schuldet (es sei denn, der Mieter hat ein Verschulden an Schäden an der Mietsache). Zudem wird entgegen der Vermutung des OLG Schleswig ohnehin der Vermieter bei solchen Gebäudeschäden die Reparatur in die Hand nehmen und nicht der Mieter, zumal oftmals in diesen Fällen außer etwaig in der Kostenversicherung des Hausratversicherers gedeckten Gebäudeschäden noch andere Gebäudebestandteile betroffen sind. 3. Ob der Wortlaut für die Auslegung des OLG spricht, ist gleichfalls überlegenswert. Richtig ist selbstverständlich im rechtlichen Ausgangspunkt, dass es für die Bejahung eines Versicherungsfalls keiner Unmittelbarkeit bedarf. Nur in der Sturm- und Hagelversicherung ist üblicherweise die Unmittelbarkeit als zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung vereinbart. Es genügt daher für den Nachweis des Versicherungsfalles entsprechend den allgemeinen rechtsdogmatischen Grundsätzen zum einen ein Sachsubstanzschaden an einer versicherten Sache und zum anderen Ursächlichkeit im Sinne der adäquaten Kausalität. Vorliegend geht es allerdings nicht um die Sach-, sondern um die Kostenversicherung und dabei stellt sich die Frage, ob es bei dieser Regelung in den AVB auf die Frage einer adäquaten Kausalität tatsächlich ankommt. Denn gedeckt sind „Leitungswasserschäden an Bodenbelegen“. Klar ist, dass damit der (oberste) Bodenbelag gemeint ist und nicht der Unterbau in Form eines Estrichs o.a. Bei „uralten“ AVB in Form der VHB 74 gab es noch den Begriff von „Fußböden“, worunter man seinerzeit auch den Estrich und die darunterliegende Isolierschicht noch verstehen konnte, aber ab den VHB 84 ist nur noch von „Bodenbelägen“ die Rede, was einen Estrich nicht mehr einschließt, so auch das OLG Schleswig. Vorliegend ging es offenbar ausschließlich um Nässeschäden an dem Estrich, und um diesen in der Hausratversicherung nicht versicherten Schaden zu beseitigen, bedurfte es einer Zerstörung der darauf verlegten Fliesen, um die Reparatur der darunterliegenden „Bodenschicht“ überhaupt durchführen zu können. Grundsätzlich wären dann die Schäden an den Fliesen gedeckt, eben entsprechend den Grundsätzen der adäquaten Kausalität. Nur: In AVB heißt es ausdrücklich „Leitungswasserschäden an Bodenbelägen“. „An“ den Fliesen, am Bodenbelag gab es indes keinen Leitungswasserschaden, sondern nur an dem darunterliegenden Estrich. Auch wenn das Wörtchen „an“ so unspektakulär erscheint, dürfte es hier von einer nicht unerheblichen Bedeutung sein. Die Begründung des OLG Schleswig führt an dieser entscheidenden Stelle nicht mehr tiefgehend aus und erkennt, dass es sich nicht um einen Leitungswasserschaden „an“ dem Bodenbelag handelt, meint aber, im Rahmen einer Auslegung müsse man die Interessen des Versicherungsnehmers berücksichtigen und führt sodann zur Erwartungshaltung des Versicherungsnehmers aus. Es spricht einiges dafür, dass das OLG Schleswig hier über den Wortlaut hinausgeht und diese Klausel tatsächlich analog anwendet. Eine Analogie ist bei AVB schon aus rechtsdogmatischen Gründen nicht statthaft, da die juristische Methodenlehre im Rahmen der Auslegung auf Basis eines durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmers nicht anzuwenden ist, also z.B. weder eine Analogie noch der umgekehrte Fall einer teleologischen Reduktion. 4. Unabhängig davon fehlt es an einer Begründung des OLG Schleswig zur Grundvoraussetzung eines Anspruches aus einer Kostenversicherung, nämlich der Tatbestandsvoraussetzung „infolge eines Versicherungsfalles“. Dies erstaunt, da das OLG Schleswig mit Beschluss vom 07.11.2024 (16 U 95/24 - RuS 2025, 501) zu einer anderen Position aus der Kostenversicherung in Form von Hotelkosten – ebenso wie zuvor das OLG Saarbrücken (Urt. v. 08.09.2023 - 5 U 64/22 - ZfSch 2024, 98) und nachfolgend das OLG Köln (Beschl. v. 25.03.2025 - 9 U 192/24 m. Anm. Günther, FD-VersR 2025, 809203) – genau hierauf abstellt. 5. Die Anschlussfrage ist, ob die Klausel dann einer AGB-Kontrolle standhält. Gerade weil es hier nicht um den Bereich einer Sachversicherung geht, sondern um eine prämienfreie Deckungserweiterung innerhalb einer Kostenversicherung, dürfte eine solche Beschränkung wohl AGB-konform sein.
- D.
Auswirkungen für die Praxis In der Sachversicherung kann der Versicherungsnehmer grundsätzlich fiktiv abrechnen, er muss also nicht nachweisen, dass er eine Wiederbeschaffung vornahm oder eine Reparatur durchführte. Diese gilt insbesondere in der Hausratversicherung. In der Gebäudeversicherung ist oftmals eine Wiederherstellungsklausel vereinbart, die aber auch nicht voraussetzt, dass eine Reparatur tatsächlich erfolgte, es reicht aus, wenn der Versicherungsnehmer eine solche sicherstellt (allerdings muss er dann nach Zahlung der Neuwertspitze eine solche innerhalb einer angemessenen Frist vornehmen, sonst besteht die Gefahr eines Anspruches auf Rückzahlung nach § 93 VVG, der allerdings in der Praxis vom Versicherer nur in den seltensten Fällen geprüft wird). Anders ist es in der Kostenversicherung, wenn in den AVB die Tatbestandsvoraussetzung „tatsächlich“ eingepflegt ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.06.2013 - IV ZR 228/12 - VersR 2013, 1039, zu AVB, wo es diese Einschränkung nicht gab, so dass eine fiktive Abrechnung möglich war, so bereits zuvor Günther, RuS 2009, 196), wie es nicht selten in Form einer Mehrwertsteuerklausel der Fall ist, aber auch bei Schäden in der Kostenversicherung. So sehen die VHB 2022 für alle Kostenpositionen vor, dass diese Kosten „in Folge eines Versicherungsfalles erforderlich und tatsächlich angefallen sind“ (näher hierzu z.B. Mühlhausen, VersR 2014, 927). Im vorliegenden Fall stellte sich diese Problematik nicht, da eine tatsächliche Reparatur erfolgte.
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung I. Mit dieser interessanten Rechtsfrage, wo sowohl Gebäude- als auch Hausratversicherer für sich jeweils gute Argumente haben, wird sich der BGH leider vorerst nicht befassen. Das OLG Schleswig ließ die Revision nicht zu, es beschritt ja sogar den Weg des § 522 ZPO. Dies ist misslich, da der vorliegende Fall wohl keiner war, der im Wege des § 522 ZPO im Beschlusswege zu entscheiden ist. Hier hätte es rechtlich nähergelegen, zu terminieren, durch Urteil zu entscheiden und die Revision zuzulassen. Es dürfte die Voraussetzung einer „grundsätzlichen Bedeutung“ i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (bzw. § 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) vorliegen, aber auch der Zulassungsgrund der „Fortbildung des Rechts“ nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (bzw. § 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). II. Unabhängig von der zunehmenden Kritik an der Sinnhaftigkeit des § 522 ZPO (vgl. z.B. Brand, ZRP 2024, 37), fallen (auch) bei den einzelnen Versicherungssenaten der 24 Oberlandesgerichte (zzgl. deren Nebenstellen) die enormen Unterschiede bei der Anwendung des § 522 ZPO auf. Einige Versicherungssenate versuchen in äußerst vielen Verfahren, wo die Berufung keinen Erfolg verspricht, das Verfahren im Wege des § 522 ZPO zu erledigen (z.B. das OLG Koblenz), andere Senate wenden § 522 ZPO eher an, andere gehen, wie es § 522 ZPO gebietet, differenziert vor. Aber auch wenn der vereinfachte Weg nach § 522 ZPO nicht beschritten, sondern durch Urteil entschieden wird, ist auffällig, dass bei Konstellationen, wo bei unbefangener Betrachtungsweise die Voraussetzungen einer Revisionszulassung vorliegen, eine solche, in aller Regel nur mit einer formelhaften Begründung durch einen Musterabsatz, nicht zugelassen wird. Dies ist insbesondere misslich, wenn der Streitwert, wie im vorliegenden Fall, unterhalb von 20.000 Euro bzw. künftig 25.000 Euro liegt, da dann auch eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft ist. Insoweit scheint eine gewisse Furcht vor einer Revisionszulassung zu bestehen. Diese Vorgehensweise bei der zu häufigen Anwendung des § 522 ZPO stößt auf Kritik, nämlich dass die Einheitlichkeit und Vorhersehbarkeit der Rechtsprechung durch diese Praxis mit ihren überaus großen Unterschiede deutlich leidet und „ein erhebliches Ärgernis für die Rechtssuchenden“ darstellt (Brand, ZRP 2024, 37). Es wird ferner kritisiert, dass entgegen § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO der dortige Begriff „unverzüglich“ von den Oberlandesgerichten extensiv interpretiert wird. Es gibt einige Senate, wo es zum Teil Jahre dauert, bis im Wege des § 522 ZPO entschieden wird, namentlich ist dies oftmals beim Kammergericht der Fall (worauf Brand, ZRP 2024, 37 ausdrücklich hinweist). III. Es kann nur dafür geworben werden, dass nicht nur, aber auch und gerade bei Streitwerten unterhalb von 20.000 Euro bzw. nunmehr 25.000 Euro die Oberlandesgerichte eine größere richterliche Zurückhaltung an den Tag legen, ob § 522 ZPO zur Anwendung kommt und wenn nicht und ob ggf. die Revision zugelassen wird. Die Gefahr einer zu libertären Handhabung zeigt ein Fall wie er gleichfalls beim OLG Schleswig anhängig war: Das OLG Schleswig hatte die Wirksamkeit der allgemeinen Sicherheitsobliegenheit als erstes Oberlandesgericht (in einem Absatz) als AGB-widrig verworfen, gleichfalls nur im Wege eines Beschlusses nach § 522 ZPO. Hier lagen indes – evident – nicht die Voraussetzungen des § 522 ZPO vor, sondern hier hätte durch Urteil entschieden und die Revision zugelassen werden müssen. Insoweit konnte sich der BGH mit der Sache nicht befassen, sondern erst Jahre später, wo er in seinem Grundsatzurteil der Auffassung des OLG Schleswig nicht folgte (vgl. BGH, Urt. v. 25.09.2024 - IV ZR 350/22 mit Anm. Günther, jurisPR-VersR 10/2024 Anm. 1). IV. Einen erheblichen Anteil bei den Rückgängen der Eingangszahlen bei dem IV. Zivilsenat dürfte die recht große Zurückhaltung der Oberlandesgerichte haben, die Revision zuzulassen. Dies könnte einer der Gründe sein, dass die Eingangszahlen bei dem BGH – erst recht unter Herausrechnung von Massenverfahren wie in Versicherungssachen die Beitragsanpassungsklauseln – deutlich rückläufig sind. Ausweislich der vom BGH veröffentlichen Statistik gab es beim Versicherungssenat, also dem IV. Zivilsenat, im Jahre 2024 (nur) 193 Neueingänge und davon waren lediglich 18 vom Berufungsgericht zugelassene Revisionen. Zehn Jahre zuvor, also im Jahre 2014, waren es 528 neue Sachen, und in 181 Fällen ist die Revision seinerzeit zugelassen worden (wobei vermutlich darunter viele Widerrufsfälle nach § 5a VVG fielen). Gehen wir noch weiter zurück, wo es Sondereffekte durch Massenverfahren nicht gab, so gingen gemäß der ersten auf der Website des BGH veröffentlichten Statistik für das Jahre 2006 dort 326 neue Sachen mit 125 zugelassenen Revisionen ein. Auch dies bestätigt den Eindruck, dass die Oberlandesgerichte aktuell eine womöglich zu große Zurückhaltung bei der Zulassung von Revisionen üben. V. Was die reinen Eingangszahlen angeht, beruhen diesen sicherlich auch bei dem IV. Zivilsenat auf dem allgemeinen Rückgang der Verfahren in der Zivilgerichtsbarkeit. Aufgrund der Erhöhung des Schwellenwertes für die Nichtzulassungsbeschwerde auf 25.000 Euro, dem sog. Leitentscheidungsverfahren beim BGH (hierzu zuletzt Beck, WPg 2025, 1367) oder den sog. Commercial Courts als ausdrücklich beworbener alternativer Weg zum BGH (hierzu zuletzt Waclawik, NJW 2025, 3457), sind dies sicherlich keine gesetzgeberischen Maßnahmen einer Trendumkehr.
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