Keine Reevaluierung des Privilegs - zu den vergaberechtlichen Bedingungen der Änderung nicht mehr inhousefähiger BestandsverträgeOrientierungssätze zur Anmerkung 1. Unter den in Art. 43 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2014/23/EU vom 26.02.2014 vorgesehenen Voraussetzungen kann eine Konzession auch dann ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens geändert werden, wenn sie ursprünglich ohne Ausschreibung an eine Inhouse-Einrichtung vergeben wurde und ihr Gegenstand zu einem Zeitpunkt geändert wird, zu dem der Konzessionsnehmer keine Inhouse-Einrichtung mehr ist. 2. Die Bestimmung verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, sicherzustellen, dass die nationalen Gerichte inzident und auf Antrag die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Vergabe einer Konzession anlässlich einer Klage auf Nichtigerklärung einer Änderung der Konzession überprüfen, wenn die Klage nach Ablauf aller Fristen, die im nationalen Recht in Anwendung von Art. 2 f der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG vom 21.12.1989 in der durch die Richtlinie 2014/23 geänderten Fassung für die Anfechtung dieser ursprünglichen Vergabe vorgesehen sind, von einem Wirtschaftsteilnehmer erhoben wird, der ein Interesse daran nachweist, dass allein der Teil dieser Konzession, der Gegenstand der Änderung ist, an ihn vergeben wird. 3. Die Änderung einer Konzession i.S.v. Art. 43 der Richtlinie 2014/23/EU wurde „erforderlich“, wenn unvorhersehbare Umstände eine Anpassung der ursprünglichen Konzession erfordern, um sicherzustellen, dass sie weiterhin ordnungsgemäß ausgeführt werden kann. - A.
Problemstellung Die auf das Vorlageersuchen des OLG Düsseldorf hin ergangene Entscheidung des EuGH vom 29.04.2025 befasst sich mit der Frage, ob die privilegierenden Bestimmungen über die Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit auch dann zur Anwendung gelangen, wenn die initial beim Vertragsschluss bestehende Inhouse-Fähigkeit zum Zeitpunkt der Änderung nicht mehr gegeben ist.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Autobahn GmbH des Bundes ist eine im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehende Infrastrukturgesellschaft privaten Rechts, die seit dem 01.01.2021 die Planung, den Bau, den Betrieb, die Erhaltung, die Finanzierung und die vermögensmäßige Verwaltung der Bundesautobahnen übernommen hat. In Ergänzung der bereits 360 bestehenden Bestandskonzessionsverträge und zur Umsetzung von § 5 Abs. 3 Satz 1 Schnellladegesetz schloss sie am 28.04.2022 mit der Autobahn Tank & Rast GmbH und der Ostdeutsche Autobahntankstellen GmbH (im Weiteren: Konzessionsnehmer) eine Ergänzungsvereinbarung hinsichtlich der eigenwirtschaftlichen Übernahme von Errichtung, Unterhaltung und Betrieb von funktionsfähiger Schnellladeinfrastruktur, die eine Pflicht zur Verfügbarhaltung einer für jeden Standort festgelegten Anzahl von Ladepunkten umfasst. 280 der zugrunde liegenden Bestandskonzessionsverträge waren von 1996 bis 1998 von der Bundesrepublik Deutschland mit der Autobahn Tank & Rast GmbH, deren alleinige Gesellschafterin seinerzeit die Bundesrepublik Deutschland war, bzw. mit der von ihr 1994 erworbenen Ostdeutsche Autobahntankstellen GmbH mit einer jeweiligen Laufzeit von 40 Jahren geschlossen worden. Im Jahr 1998 wurde die Autobahn Tank & Rast GmbH im Rahmen eines Investorenauswahlverfahrens privatisiert und fortan von einem Konsortium aus LSG Lufthansa Service Holding AG, Allianz Capital Partners GmbH und drei Investment Fondsgesellschaften geführt. In der Folgezeit schloss die Bundesrepublik Deutschland respektive seit 2021 die Autobahn GmbH des Bundes – teils nach vorangegangener Ausschreibung – weitere 80 Konzessionsverträge mit den Konzessionsnehmern. Die auf die Veröffentlichung der Bekanntmachung einer Änderung nach § 132 GWB durch die Autobahn GmbH des Bundes vom 06.05.2022 hin von der Fastned Deutschland GmbH & Co. KG und der Tesla Germany GmbH (aus dem Verfahren am 17.07.2024 ausgeschieden), die jeweils Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge betreiben, eingeleiteten Nachprüfungsverfahren blieben ohne Erfolg. Auf die dann erhobene sofortige Beschwerde setze der Vergabesenat des OLG Düsseldorf das Verfahren aus und rief den EuGH um Vorentscheidung an, ob Art. 72 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2014/24/EU dahin gehend auszulegen sei, dass in seinen Anwendungsbereich auch solche öffentlichen Aufträge fallen, die zuvor außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2014/24/EU an eine Inhouse-Einrichtung vergeben worden sind, jedoch die Voraussetzungen der Inhouse-Vergabe im Zeitpunkt der Vertragsänderung nicht mehr vorliegen (vgl. zu den Einzelheiten: Peshteryanu, jurisPR-VergR 4/2024 Anm. 2). Im Ergebnis bejahte der Gerichtshof, der in der Besetzung einer Großen Kammer entschied, die Vorlagefrage, die es jedoch vorweg dahin gehend präzisierte, dass der – hinsichtlich seiner Voraussetzungen inhaltsgleiche – Art. 43 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2014/23/EU betroffen sei, nachdem im vorliegenden Fall kein Auftrag, sondern eine Konzession vorläge. In der Sache konstatierte der Gerichtshof, dass bei Verlust der Inhouse-Fähigkeit der Konzessionsnehmerin vor einer durch den Konzessionsgeber beabsichtigten Änderung diese allein unter den zusätzlichen Voraussetzungen von Art. 43 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2014/23/EU ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens erfolgen dürfe. Etwas Gegenteiliges folge nicht aus dem Wortlaut, da mit der Wendung „neues Vergabeverfahren“ lediglich zum Ausdruck kommen soll, dass ein im Einklang mit der Richtlinie stehendes Vergabeverfahren durchzuführen ist, sofern keiner der in Art. 43 der Richtline 2014/23/EU geregelten Fälle einschlägig sei. Noch folge aus dem Kontext von Art. 43 der Richtlinie 2014/24/EU die Verpflichtung zu einer Neuausschreibung, da mit der Regelung ausweislich der Erwägungsgründe eine Flexibilität für den Konzessionsgeber zur Anpassung an externe Rahmenbedingungen, insbesondere bei langen Vertragslaufzeiten, sichergestellt werden soll. Nichts anderes folge aus der Entscheidung des Gerichtshofes in der Sache „Comune di Lerice“ vom 12.05.2022 (C-719/20), die anders als die hiesige Rechtssache einen Fall des Auftragnehmerwechsels i.S.v. Art. 43 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2014/23 betrifft. Schließlich sei anlässlich einer Nichtigkeitserklärung einer Änderung für das Nachprüfungsgericht auch keine Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Vergabe angezeigt, sofern – wie hier – die Nachprüfungsfristen in Übereinstimmung mit der Rechtsmittelrichtlinie für die ursprüngliche Vergabe abgelaufen sind.
- C.
Kontext der Entscheidung Die lang erwartete Entscheidung des EuGH bietet einige Klarstellungen hinsichtlich der Auftragsänderungsvorschriften im Kontext von Inhouse-Geschäften, nicht jedoch ohne zugleich auch neue Fragen aufzuwerfen. Festgehalten werden kann demnach: Liegen die Voraussetzungen einer öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit im Zeitpunkt der relevanten Vertragsänderung positiv (weiter) vor, so kommt Art. 43 der Richtlinie 2014/23/EU (bzw. Art. 72 der Richtlinie 2014/24/EU, Art. 89 der Richtlinie 2014/25/EU) respektive § 132 GWB nicht zur Anwendung, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein echtes, dem Anwendungsbereich des Vergaberechts dogmatisch per se entzogenes Geschäft der Eigenerledigung oder eine nach Art. 17 Richtlinie 2014/23/EU (bzw. Art. 12 der Richtlinie 2014/24/EU, Art. 28 der Richtlinie 2014/25/EU) respektive § 108 GWB privilegierte öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit handelt. In allen anderen Fällen, also beim nachträglichen Wegfall von der Inhouse-Fähigkeit aufgrund von tatsächlichen oder rechtlichen Veränderungen während der Vertragslaufzeit, so etwa bei Privatisierung staatlicher Gesellschaften, aber auch – so legen es die apodiktische Entscheidung des Gerichtshofs und die dezidierten Ausführungen des Generalanwalts Sánches-Bordona in seinen Schlussanträgen vom 17.10.2024 nahe – bei von Anfang an malignen Verträgen, die unter Umgehung oder Missachtung von Vergaberecht geschlossen wurden, kommt es aus Gründen der Rechtssicherheit lediglich auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Bestimmungen über die Auftragsänderungen auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Änderung maßgeblichen Rechtsvorschriften an. Die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Vergabe ist mithin kein implizites ungeschriebenes Merkmal von Art. 43 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2014/23/EU, so dass eine Inzidentprüfung zu unterbleiben hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Nachprüfung der Vergabekonformität des Ausgangsvertrages aufgrund des Ablaufs der Rechtsmittelfristen (bei De-facto-Verträgen mithin die Sechs-Monats-Frist nach § 135 Abs. 2 GWB) ausgeschlossen ist. Fragen mag indes die durch den Gerichtshof vorgenommene Abgrenzung zur Rechtssache „Comune di Lerici“ (C-719/20) aufwerfen. In dem dort entschiedenen Fall wurde eine zunächst gemischt-öffentliche Leistungseinheit durch Anteilsübertragungen zu einer gemischtwirtschaftlichen, mithin am Markt tätigen Gesellschaft, die aufgrund eines vor der Privatisierung geschlossenen Vertrages – ohne Änderung des Auftragsgegenstandes – weiter tätig werden sollte. Der EuGH stellte mit Blick auf Art. 72 Abs. 1 Buchst. d ii) der Richtlinie 2014/24/EU fest, dass der Erwerb einer Gesellschaft durch einen anderen Wirtschaftsteilnehmer stets eine grundlegende Bedeutung hat und die (geänderte) Vertragsfortsetzung den Anforderungen der – dann geltenden – Richtlinien entsprechen muss. Obwohl auch in dem vorliegenden Fall der Änderung eine Privatisierung vorausgegangen war, hat der Gerichtshof im Ergebnis entgegengesetzt entschieden. Unklar bleibt letztlich, ob dieser – vermeintliche – Wertungswiderspruch – wie der Generalanwalt Sánches-Bordona unter Rn. 39 f. seiner Schlussanträge ausführt – nur in der streng formalen Umgrenzung der Vorlagefrage begründet ist, wonach es dem vorlegenden Gericht nur um die Klärung dessen geht, ob die Änderungen nicht gemessen an Art. 43 der Richtlinie 2014/23/EU, sondern „in Anbetracht der ursprünglichen Konzessionsverträge, die sie ändern, zulässig sind“. Für die Entscheidung des vorlegenden OLG Düsseldorf gibt der EuGH noch einige „Segelanweisungen“ zur Auslegung von Art. 43 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2014/23/EU mit auf den Weg. Demnach sei die Erforderlichkeit einer (wesentlichen) Änderung nicht rein formell am Vertragsumfang, sondern materiell am Erfordernis der ordnungsgemäßen Sicherstellung der aus der ursprünglichen Konzession resultierenden Verpflichtungen, mithin am Vertragszweck, zu messen. Ebenso wird der vorlegende Spruchkörper angehalten, eine Änderung des Gesamtcharakters der Konzession kritisch zu hinterfragen, die sich aus einer vergleichenden Betrachtung des Umfangs sowie den Besonderheiten zu den Bau- und Dienstleistungen, die bereits Gegenstand der Konzession waren, ergeben kann. Falls das zu verneinen sei, habe sich das Gericht mit den Voraussetzungen von Art. 43 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2014/23/EU (Ergänzung des Auftrags um zusätzliche Leistungen wegen wirtschaftlicher/technischer Unmöglichkeit) auseinanderzusetzen.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Die Entscheidung des EuGH bringt eingedenk der um den Jahrtausendwechsel insbesondere im kommunalen Bereich weit verbreiteten Teilprivatisierung von Gesellschaften der öffentlichen Hand eine begrüßenswerte Klarstellung zum Umgang mit Änderungen nicht mehr inhousefähiger Altverträge mit sich und sorgt insoweit für Rechtssicherheit. Zugleich scheint der Gerichtshof mit seinem jüngsten Judiz aber auch eine besonders enge Lesart der privilegierenden Bestimmungen über die Auftragsänderung, insbesondere hinsichtlich der Erforderlichkeit nachträglicher Änderungen, anzumahnen. Hier bleibt besondere Vorsicht geboten.
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