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Anmerkung zu:BSG 6. Senat, Urteil vom 11.12.2024 - B 6 KA 11/23 R
Autor:Matthias Schömann, RA
Erscheinungsdatum:24.04.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 95 SGB 5, § 86 SGG, § 39 SGB 10
Fundstelle:jurisPR-MedizinR 4/2025 Anm. 1
Herausgeber:Möller und Partner - Kanzlei für Medizinrecht
Zitiervorschlag:Schömann, jurisPR-MedizinR 4/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung der Zulassungsgremien und Erledigung der Zulassungsentscheidung



Orientierungssatz zur Anmerkung

Die gerichtliche Überprüfbarkeit von Entscheidungen der Zulassungsgremien bei Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung unterliegen keiner anderen Bewertung als die Zulassung im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens.



A.
Problemstellung
Der 6. Senat des BSG hatte die Frage zu beantworten, wie weit die gerichtliche Überprüfung einer Entscheidung der Zulassungsgremien in einem Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs geht.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Gegenstand des Rechtsstreits ist eine erteilte Anstellungsgenehmigung nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs. Der Landesausschuss hatte für die Gruppe der Augenärzte im Planungsbereich N. Zulassungsmöglichkeiten festgestellt. Auf diese haben sich der klagende Augenarzt und ein als GbR von zwei Vertragsärzten betriebenes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) beworben. Letzterem wurde die Genehmigung zur Anstellung einer beigeladenen Ärztin mit einem Umfang von 20 Wochenstunden erteilt, der Antrag des Klägers wurde abgelehnt. Die Gesellschafter des MVZ hatten bereits vor Entscheidung des Zulassungsausschusses vereinbart, ihre Geschäftsanteile an der GbR in eine neu gegründete GmbH einzubringen. Der Zulassungsausschuss hatte auch die Zulassung des MVZ in Trägerschaft der GbR durch Verzicht gemäß § 95 Abs. 7 SGB V festgestellt und ließ das MVZ in der Trägerschaft der GmbH ab dem Folgetag zu. Die Anstellung der beigeladenen Ärztin wandelte er zum gleichen Zeitpunkt in eine Zulassung um, auf welche diese zugunsten einer Anstellung bei dem neuen von der GmbH betriebenem MVZ verzichtete.
Der Berufungsausschuss wies den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück, das Sozialgericht hob den Bescheid auf und verurteilte den beklagten Berufungsausschuss erneut über den Widerspruch zu entscheiden. Die Berufung blieb ohne Erfolg.
Das BSG hat auf die Revision hin die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der 6. Senat des BSG stellte fest, dass Gegenstand des Revisionsverfahrens die beiden vorinstanzlichen Urteile seien sowie der Bescheid des beklagten Berufungsausschusses. Die Beschlüsse des Zulassungsausschusses seien – auch soweit sie die Umwandlung der erteilten Anstellungsgenehmigung betreffen – nicht gemäß § 86 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden.
Das Anfechtungsbegehren des Klägers habe sich bereits zu dem Zeitpunkt erledigt, als das MVZ noch in der Trägerschaft der GbR auf seine Zulassung verzichtete, die erteilte Anstellungsgenehmigung in eine Zulassung der beigeladenen Ärztin umgewandelt wurde, auf die diese dann zugunsten einer Anstellung bei dem MVZ in Trägerschaft der GmbH verzichtete. Demnach hätte der beklagte Berufungsausschuss den Antrag des Klägers bereits zurückweisen müssen.
Der angegriffene Verwaltungsakt – also hier die Anstellungsgenehmigung – habe sich auf andere Weise i.S.d. § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Dies sei vorliegend mit den eben erwähnten Änderungen der Fall gewesen und die erteilte Anstellungsgenehmigung habe mit diesen Änderungen keine rechtliche Wirkung mehr gehabt. Die angegriffene Anstellungsgenehmigung wurde auf Antrag in eine Zulassung umgewandelt, Inhaber der Zulassung wurde – da ein Nachbesetzungsverfahren nicht durchgeführt wurde – die bisher angestellte Ärztin. Deren Zulassung endete wiederum mit dem Wirksamwerden ihres Verzichts auf die Zulassung zugunsten einer Anstellung bei dem MVZ in Trägerschaft der GmbH. Mit der Erledigung der erteilten Anstellungsgenehmigung (vgl. hierzu auch unter E.) habe sich das Auswahlverfahren in seiner Gesamtheit erledigt. Damit sei nach der Erledigung der ursprünglichen Auswahlentscheidung bei den Zulassungsgremien kein Verwaltungsverfahren mehr anhängig.
Nicht durchgreifend sei auch der Einwand des Klägers, dass es rechtlich geboten sei, Nachbesetzungsverfahren einerseits und Zulassungsverfahren bei partieller Nachbesetzung andererseits unterschiedlich zu behandeln.
Letztlich sei die Begrenzung des Gegenstandes der gerichtlichen Überprüfung von Auswahlentscheidungen der Zulassungsgremien damit zu begründen, dass ein anderes Verständnis zur Konsequenz hätte, dass auch dann, wenn sich zahlreiche ÄrztInnen um eine Zulassung bewerben, sich das Gremium vorsorglich mit der Eignung aller BewerberInnen befassen müsste, auch wenn bereits feststehe oder naheliege, dass eine Bewerberin den Vorzug erhalte.
Das BSG hält auch an seiner Rechtsauffassung fest, dass die Auswahlentscheidung nach dem Wegfall des ursprünglich zugelassenen Arztes auf diejenigen Bewerber reduziere, die die ursprüngliche Entscheidung nicht haben bestandskräftig werden lassen, zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen führe, da damit alle anderen BewerberInnen ausgeschlossen wären. Es könne nicht im Sinne der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Verwaltungsakten mit Drittwirkung sein, potenzielle KonkurrentInnen zu Rechtsmitteln zu drängen, die sie selbst für aussichtlos halten. Dies gelte unabhängig davon, ob der Auswahlentscheidung ein Nachbesetzungsverfahren oder eine partielle Entsperrung des Planungsbereichs zugrunde liegt.


C.
Kontext der Entscheidung
Für JuristInnen, die vorwiegend im öffentlichen Recht tätig sind, mag die Entscheidung erstaunen und durchaus nach einer Verkürzung des Rechtsschutzes klingen. Dem ist aber nicht so, völlig zu Recht wählt das BSG hier ein an den Rechtsfolgen orientiertes Verständnis des Gegenstandes der gerichtlichen Überprüfbarkeit. Zutreffend knüpft es auch für den Fall der Erledigung im Rahmen einer Zulassung aufgrund einer partiellen Entsperrung eines Planungsgebiets an seine Rechtsprechung zur Zulassung im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens an (BSG, Urt. v. 05.11.2003 - B 6 KA 11/03 R - BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1 m. Anm. Beule, jurisPR-SozR 21/2004 Anm. 1).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Für die Praxis ist mit dieser Entscheidung ein weiteres Stück an Rechtsklarheit gewonnen. Es ist nunmehr gesichert, dass auch bei einer Zulassung nach einer partiellen Entsperrung eines Planungsbezirks die gleichen Regelungen gelten wie im Nachbesetzungsverfahren. Mit Verzicht auf eine Zulassung tritt Erledigung der erteilten Zulassung ein und ein etwaiges anhängiges Verfahren wird unzulässig, gleiches gilt für eine erteilte Anstellungsgenehmigung, wenn sie in eine Zulassung umgewandelt wird.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Um den komplexen Sachverhalt nicht überzustrapazieren, an dieser Stelle eine Ergänzung: Das Arbeitsverhältnis zwischen der angestellten Ärztin und dem MVZ in Trägerschaft der GmbH wurde während des gerichtlichen Verfahrens beendet. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sich nach Auffassung des 6. Senats die Anstellungsgenehmigung erledigt. Die Anfechtungsklage hätte mithin vom Landessozialgericht als unzulässig abgewiesen werden müssen.



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