Nachhaftungsbegrenzung der Gesellschafter in der Insolvenz der Personengesellschaft zwischen altem und neuem PersonengesellschaftsrechtLeitsatz Die Haftung des Kommanditisten der der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelösten Kommanditgesellschaft angehört, ist nicht entsprechend § 161 Abs. 2, § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB in der bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung begrenzt. - A.
Problemstellung Nach § 172 Abs. 4 HGB lebt die persönliche Haftung der Kommanditisten in der KG nach § 171 Abs. 1 HGB im Außenverhältnis wieder auf, wenn die eingezahlte Haftsumme zurückgezahlt wird. In der Insolvenz wird der Anspruch vom Insolvenzverwalter geltend gemacht, wenn und soweit dies zur Deckung der nicht aus der Masse zu befriedigenden Insolvenzforderungen erforderlich ist. Dabei profitieren die Kommanditisten jedoch von der Nachhaftungsbegrenzung der §§ 137, 151 HGB bzw. der §§ 159, 160 HGB a.F. Dabei war die Vorinstanz im Besprechungsfall unter Anwendung des alten Rechts davon ausgegangen, dass der Kommanditist mit der Insolvenzeröffnung einem ausgeschiedenen Gesellschafter gleichzustellen sei mit der Folge, dass die Haftung nach den §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 2 HGB nach Ablauf von fünf Jahren nach Insolvenzeröffnung erlischt. Sie hatte sich auf die Entscheidung des BGH vom 15.12.2020 (II ZR 108/19 - NJW 2021, 928 Rn. 29) berufen, wonach die Rechtsstellung des Kommanditisten nach Insolvenzeröffnung derjenigen des ausgeschiedenen Kommanditisten gleiche; in beiden Fällen könnten sie keinen Einfluss mehr auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und nicht mehr von Gegenleistungen und sonstigen Erträgen profitieren. Dem ist der BGH für die hier relevante Verjährungsfrage entgegengetreten.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Beklagte hatte Kommanditanteile an zwei Schiffsgesellschaften gehalten, die Vollcontainerschiffe betrieben. Sie hatte Ausschüttungen erhalten, die nicht vom Gewinn gedeckt gewesen waren und zur Rückzahlung der ursprünglich geleisteten Haftsumme geführt hatten. Am 30.04.2014 war über das Vermögen der beiden Schiffsgesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Zur Insolvenztabelle waren Gewerbesteuerforderungen aufgrund der Tonnagebesteuerung festgestellt worden, die nicht mehr aus der Masse befriedigt werden konnten. Der Insolvenzverwalter der beiden Schiffsgesellschaften machte daher mit seiner am 06.08.2022 erhobenen Klage die Haftung in Höhe der nicht mehr gedeckten Haftsumme geltend. Die Beklagte hatte in der Berufungsinstanz erfolgreich geltend gemacht, dass die Forderung in analoger Anwendung des § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB in der bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung nach Ablauf von fünf Jahren seit Insolvenzeröffnung erloschen sei. Der BGH ist dem nicht gefolgt. Er bestätigt allerdings zunächst, dass nach den Grundsätzen des intertemporalen Haftungsrechts das HGB in der Fassung anzuwenden ist, die bis zum 31.12.2023 galt, da alle haftungsbegründenden Umstände vor diesem Datum erfüllt gewesen seien. Für eine analoge Anwendung des § 160 Abs. 1 HGB fehle es aber an der Voraussetzung einer planwidrigen Gesetzeslücke. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei die Gesellschaft aufgelöst. Für die Auflösung gelte die Verjährungsregelung in § 159 HGB a.F. Danach beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Auflösung, es sei denn, die Forderung werde erst später fällig. Die Ansprüche aufgrund der Tonnagebesteuerung seien durch den Wechsel der Gewinnermittlungsart vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden. Ihre Verjährung sei durch die Anmeldung zur Insolvenztabelle nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB gehemmt worden. Diese Hemmung wirke auch gegenüber den Gesellschaftern und ihrer Haftung (§ 159 Abs. 4 HGB a.F.).
- C.
Kontext der Entscheidung Vier Dinge sind von Interesse: Zunächst geht es derzeit häufig verstärkt um die Frage des intertemporalen Rechts, nachdem der Gesetzgeber des MoPeG dazu keine ausdrücklichen Übergangsregelungen getroffen hat. Danach gilt, dass vor dem 31.12.2023 abgeschlossene Sachverhalte nach der lex temporis actus nach dem bis dahin geltenden Recht zu beurteilen sind. Das gilt auch für Haftungsansprüche, wenn ihre Voraussetzungen bis zu diesem Zeitpunkt vorlagen. Zweitens hatte der BGH schon vorher entschieden, dass sich die Nachhaftung der Gesellschafter für die Steuerforderungen wegen Wechsels der Gewinnermittlungsart bei Schiffsfonds unabhängig von ihrer insolvenzrechtlichen Einordnung als Insolvenz- oder Masseforderungen nach den für § 160 HGB entwickelten Abgrenzungskriterien für Alt- und Neuverbindlichkeiten richte (BGH, Urt. v. 15.12.2020 - II ZR 108/19 - NJW 2021, 928 Rn. 42). Danach haften die Gesellschafter weiter (nur) für Forderungen, deren Grund vor der Insolvenzeröffnung gelegt worden ist. Drittens führt die Insolvenz zur Auflösung der Gesellschaft. Die Nachhaftung der Gesellschafter im Fall der Auflösung war abschließend in § 159 HGB a.F. geregelt. Für eine analoge Anwendung des § 160 HGB a.F. fehle daher die erforderliche Lücke. Soweit sich das OLG auf die vorangegangene Rechtsprechung des BGH berufen hatte, wonach die Stellung des Gesellschafters nach Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens mit der des ausgeschiedenen Gesellschafters vergleichbar sei, weil er in beiden Fällen keinen Einfluss mehr auf die Geschicke der Gesellschaft habe, stellt der BGH das klar: Dort sei es nur um die gegenständliche Reichweite der Gesellschafterhaftung gegangen und er habe die zu § 160 HGB entwickelten Grundsätze zur Abgrenzung von Alt- und Neuverbindlichkeiten herangezogen. Für die erst in der Insolvenz vom Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten soll der Gesellschafter nicht mehr haften, weil er wie ein ausgeschiedener Gesellschafter keinen Einfluss mehr auf die Gesellschaft habe. Für die Verjährung habe die Entscheidung aber keine Bedeutung. Damit steht – viertens – fest, dass die Haftung der Gesellschafter in der Insolvenz für Altverbindlichkeiten nicht nach § 160 HGB erlischt, sondern nur gemäß den Regeln des § 159 HGB a.F. verjährt. Und dazu gehört auch, dass die Hemmung und der Neubeginn der Verjährung der Hauptforderung gegen die Gesellschaft auch für die Haftung der Gesellschafter gilt (§ 159 Abs. 4 HGB a.F.). Damit wirkt die Hemmung der Verjährung der Insolvenzforderung durch Anmeldung zur Insolvenztabelle nach § 204 Nr. 10 BGB auch gegen den Gesellschafter.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Das alte Recht der §§ 159, 160 HGB a.F. wird noch geraume Zeit von Bedeutung sein. Es wird noch für alle Fälle gelten, in denen die Auflösung, also auch die Insolvenzeröffnung, oder das Ausscheiden eines Gesellschafters vor dem 01.01.2024 lag. Allerdings wird man eine Ausnahme machen müssen: Nach § 728b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F., § 137 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. haften ausgeschiedene Gesellschafter nicht für Verbindlichkeiten, die auf Schadensersatz gerichtet sind, wenn die zum Schadensersatz verpflichtende Verletzungshandlung nach ihrem Ausscheiden erfolgt ist. Der Haftungstatbestand ist erst erfüllt, wenn auch die Verletzungshandlung begangen worden ist. Nach der lex temporis actus ist daher das in diesem Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden. Zieht man nun die Überlegungen des BGH zur gegenständlichen Reichweite der Gesellschafterhaftung in der Insolvenz hinzu (BGH, Urt. v. 15.12.2020 - II ZR 108/19 - NJW 2021, 928 Rn. 42), wird das aber auch für den Fall der Auflösung durch Insolvenzeröffnung gelten müssen: Auch § 728b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F., § 137 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. liegt der Gedanke zugrunde, dass der ausgeschiedene Gesellschafter keinen Einfluss mehr auf die Tätigkeit der Gesellschaft hat. Daher müsste die Nachhaftung der Gesellschafter für Schadensersatzansprüche in Fällen der Auflösung durch Insolvenzeröffnung ebenfalls ausgeschlossen sein, in denen die Verletzungshandlung erst nach dem 31.12.2023 begangen worden ist, auch wenn der Rechtsgrund vor der Insolvenzeröffnung und die Insolvenzeröffnung vor dem 01.01.2024 lagen. Im Übrigen ändert sich durch das neue Recht im Ergebnis nichts Entscheidendes: Nunmehr beginnt die Sonderverjährung im Fall der Auflösung grundsätzlich erst mit Kenntnis der Gläubiger vom Erlöschen bzw. der Eintragung des Erlöschens der Gesellschaft im Gesellschafts- bzw. Handelsregister (§ 739 Abs. 2 BGB n.F., § 151 Abs. 2 HGB n.F.). Sie kann also vor Erlöschen der Gesellschaft nicht eintreten. Der Erstreckung der Hemmung durch Anmeldung zur Insolvenztabelle bedarf es daher für die Haftung nicht mehr; sie ist aber aufgrund der Akzessorietät der Haftung nach wie vor selbstverständlich für die Hemmung der Verjährung der Forderung gegen die Gesellschaft notwendig.
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