VG Saarlouis Entscheidung vom 12.1.2011, 3 K 1193/10
Übernahme von Fahrtkosten für Eltern zur Ausübung von Besuchskontakten mit einem Kind, dem Heimerziehung gewährt wird
Leitsätze
1. Geldleistungen als sog. Annex-Leistungen (hier Fahrtkosten) können nur gewährt werden, soweit sie in engem und unmittelbaren Zusammenhang mit den bewilligten erzieherischen, pädagogischen Maßnahmen nach § 27 ff. SGB VIII stehen.
2. Dies trifft auf monatliche Besuchskontakte nicht zu.
3. Die Kosten für Besuchsfahrten der Eltern werden bei Bedürftigkeit im Rahmen der Leistungen des SGB II oder SGB XII sichergestellt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
„Die Wf. hat keinen Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten einmal je Monat zum Besuch ihrer Tochter, die im Rahmen einer Jugendhilfemaßnahme nach §§ 34, 39 SGB VIII im Kinderhaus untergebracht ist.
Soweit im Rahmen von Jugendhilfemaßnahmen Geldleistungen gewährt werden, handelt es sich hierbei um sog. Annex-Leistungen. Dies bedeutet, dass Geldleistungen nur gewährt werden, soweit sie in engem und unmittelbarem Zusammenhang mit den bewilligten erzieherischen/pädagogischen Maßnahmen nach den §§ 27 ff. SGB VIII stehen.
Dies trifft auf die von der Wf. gewünschten Besuchskontakte mit ihrer Tochter einmal im Monat nicht zu. Der gewünschte monatliche Besuch des Kindes ist nicht notwendiger bzw. unmittelbarer Bestandteil der vom Wg. gewährten erzieherisch/pädagogischen Maßnahme, sondern dient ausschließlich der Pflege und Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Beziehungen. Er dient dem Bedürfnis der Mutter durch den persönlichen Kontakt ein Näheverhältnis zur Tochter aufrechtzuerhalten und sich vor Ort vom Wohlergehen der Tochter zu überzeugen und durch gemeinsame Unternehmungen die Zusammengehörigkeit und Verbundenheit zu stärken. Zwar mögen diese Besuche sowohl für die Mutter als auch für die Tochter durchaus sinnvoll und wünschenswert sein, sie sind jedoch nicht Bestandteil der erzieherischen Maßnahme nach § 34 SGB VIII. Eine Erstattung von Fahrtkosten für die reinen Besuchskontakte der Mutter durch den Jugendhilfeträger kommt daher nicht in Betracht. Soweit im Zuge der Jugendhilfemaßnahme - wie z. B. bei den Hilfeplangesprächen zur weiteren Gestaltung der Fortführung der erzieherischen Maßnahme - die Anwesenheit der Mutter in der Einrichtung notwendig ist, sind die insoweit entstehenden Fahrtkosten vom Wg. zu übernehmen bzw. sind diese auch übernommen worden.
Auf die vom Wg. bereits in Bezug genommene Rechtsprechung (VG Göttingen, Urteil vom 11.11.2008, Az. 2 A 74/07) und die auch der Wf. zur Verfügung stehende Stellungnahme des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 23.06.2009 zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Fahrtkosten für Besuchskontakte im Rahmen von Jugendhilfeleistungen wird Bezug genommen.“
Der am 08.09.2010 zur Post gegebene Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin persönlich mit Einschreiben zugestellt.
Am 01.10.2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung vertritt sie die Auffassung, es könne nicht sein, dass mittellose Elternteile aus finanziellen Gründen nicht regelmäßig ihre Kinder besuchen können sollen. Selbst bei Elternteilen, die in der Zwischenzeit problemlos mit ihren Kindern telefonieren könnten, werde ein Besuchskontakt von zwei Tagen alle zwei Wochen befürwortet. Für sie, die nahezu taub sei, sei eine Kommunikation nur auf dem schriftlichen Wege möglich. Ihre Tochter könne wegen der damit verbundenen Versäumnisse in der Schule auch nicht alle zwei Wochen zu ihr ins Saarland kommen. Sie suche bei jedem Besuch das Gespräch mit den Betreuern ihrer Tochter, um auf diese Weise wichtige Punkte der Erziehung oder im Zusammenhang mit der Schule zu klären.
unter Aufhebung des Bescheides vom 29.09.2009 und des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26.08.2010 ergangenen Widerspruchsbescheides des Kreisrechts-ausschusses den Beklagten zu verpflichten, die notwendigen Kosten für einen Besuch pro Monat bei ihrer Tochter mit dem billigsten Verkehrsmittel (derzeit ein im Voraus gebuchter Flug) zu übernehmen.
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe